Gold und Lilie, Staub und Nacht

Fünfzig Sonette von Luis de Góngora

ins Deutsche übertragen von Michael Mertes

Verlag Franz Schön, Bonn 2020
20,00€ (D)
ISBN 978-3-947837-03-8

Luis de Góngora (1561–1627), einer der bedeutendsten Dichter des spanischen "Siglo de Oro", Zeitgenosse von Miguel de Cervantes, Torquato Tasso und William Shakespeare, hat über 200 Sonette sehr unterschiedlichen Inhalts verfasst: erotisch und heroisch, burlesk und polemisch, wirklichkeitsnah und philosophisch. Harold Bloom zählte diese Gedichte – zusammen mit Góngoras "Soledades" – zum "Western Canon", zu den herausragenden Werken der Literatur des Westens.

Federico García Lorca meinte in seiner Rede zum 300. Todestag Góngoras 1927: "Góngora ha sido maltratado con saña y defendido con ardor. Hoy su obra está palpitante como si estuviera recién hecha ..." (Góngora ist wütend beschimpft und leidenschaftlich verteidigt worden. Heute ist sein Werk so lebensfrisch, als sei es eben erst geschaffen worden ...)

Der Gedichtband "Gold und Lilie, Staub und Nacht" enthält eine Auswahl von 50 Sonetten Góngoras im spanischen Original (mit Kommentierung) und in zweifacher deutscher Übertragung: je einer reimlosen und einer gereimten. Die reimlosen Versionen kommen den Quelltexten semantisch und syntaktisch näher als die gereimten Fassungen; dadurch vermitteln sie einen genaueren Eindruck von bestimmten "gongoristischen" Eigenheiten dieser Gedichte (zum Beispiel von ihren Latinismen oder verschlungenen Satzperioden). In die Auswahl wurden berühmte, exemplarische Góngora-Sonette wie "Mientras por competir con tu cabello" aufgenommen, aber auch burleske Gelegenheitsgedichte mit biographischem und zeithistorischem Bezug.

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Erfreu Dich nur an Hals, Mund, Stirn und Haar
eh’, was in Deiner goldnen Jahre Licht
Gold, Lilie, Nelke und Kristall noch war,
nicht bloß zu Silber wird und Veilchen schlicht,
sondern, mitsamt Dir selbst, sich wandelt gar
in Lehm, in Rauch, in Staub, in Nacht, in Nichts.

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Sieh da: Der große Speichelleckerhaufen,
stinksauer. Bonzen mit gefüllten Taschen.
Und Liebe? Kriegt man hier für Geld geliehn!
In diesem Babel kann man alles kaufen –
wie in der Apotheke: Große Flaschen,
viel Etiketten, wenig Medizin.

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Wie lieblich aus der alten Eiche klingt
ein Witwentäubchen, das im Waldesschatten
den Schritt auf stille Nebenwege bringt!
Es klagt um den geliebten toten Gatten,
wenn’s trauervoll dem tauben Ohre singt,
das Einsamkeit und Ödnis immer hatten.